Geschichte der Europameisterschaft – EURO 1996 in England: Tschechien hat ein Stück verpasst

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Author: Ladislav Harsányi

Die Fußball-Europameisterschaft (EURO) wird eines der großen Sportfeste des Kalenderjahres 2024 sein. Anlässlich der Europameisterschaft in Deutschland haben wir eine historische Serie über die Europameisterschaften vorbereitet. Hier ist der achte Teil, der sich auf die EURO 1996 in England konzentriert.

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Tschechen an der Schwelle zum Fußballhimmel

Da immer mehr unabhängige Länder zur europäischen Landkarte hinzukamen, beschloss die UEFA, dass sich bis zu 15 Länder für die Endrunde qualifizieren können. Zum ersten Mal in der europäischen Qualifikation gab es drei Punkte für einen Sieg. Unter den Neulingen auf der europäischen Karte haben sich Tschechien, Russland und Kroatien für das Turnier qualifiziert. Die Gruppensieger und die sechs besten Gruppenzweiten qualifizierten sich direkt, die beiden schlechtesten Teams mussten in einem EM-Playoff um die 15. Eintrittskarte.

Rückkehr in die Wiege des Fußballs

Der Fußball kommt nach Hause. So lautete der Refrain des offiziellen Hymnen der Europameisterschaft, die vom 8. bis 30. Juni 1996 in acht Stadien in acht englischen Städten ausgetragen wurde: London (Wembley), Manchester (Old Trafford), Liverpool (Anfield), Birmingham (Villa Park), Leeds (Elland Road), Sheffield (Hillsborough), Nottingham (City Ground), Newcastle (St James‘ Park).

Gruppe A: England, Niederlande, Schottland, Schweiz. B-Gruppe: Frankreich, Spanien, Bulgarien, Rumänien. Gruppe C: Deutschland, Tschechien, Italien, Russland. Gruppe D: Portugal, Kroatien, Dänemark, Türkei. Sechs Debütanten: Bulgarien, Schweiz, Türkei und die drei neuen unabhängigen Staaten Tschechische Republik, Kroatien und Russland.

Von den acht Nationalmannschaften, die sich für das Viertelfinale qualifiziert hatten, waren die Tschechen die größte Überraschung: Nach einer Niederlage gegen Deutschland gelang ihnen ein Sieg gegen die Italiener – der Schlüssel zum Weiterkommen. Das Viertelfinale war dramatisch. Die Engländer setzten sich im Elfmeterschießen gegen die Spanier durch (in der Verlängerung fielen keine Tore), ebenso die Franzosen gegen die Niederländer. Die Deutschen besiegten Kroatien (2:1) und die Tschechen wurden von Portugal nicht gestoppt, als Karel Poborský nach einer schönen Einzelleistung und einem herrlichen Schuss das einzige Tor des Spiels erzielte.

Das tschechische Wunder setzte sich im Halbfinale fort. Obwohl mehrere wichtige Spieler wegen Verletzungen (Šmicer) und Karten (Suchopárek, Bejbl, Látal, Kuka) fehlten, „kickte“ man ein torloses Unentschieden gegen Frankreich und erreichten das Finale durch Elfmeterschießen. Finalgegner waren die Deutschen, die sich ebenfalls erst im Elfmeterschießen gegen England durchsetzen konnten (6:5).

Sieg durch goldenes Tor

Die Teilnahme der Tschechischen Republik an der Endrunde war an sich schon eine Sensation. Das Team um Dusan Uhrin Sr. versuchte sich für die Niederlage gegen die Deutschen in der Vorrunde zu revanchieren. Dass die Deutschen durch Karten und Verletzungen (Basler, Kohler, Bobic, Möller, Reuter, Freund) dezimiert waren, machte ihnen Mut. In der 59. Minute gingen sie in Führung, als Patrik Berger nach einem Foul von Matthias Sammer an Poborski den fälligen Elfmeter verwandelte. Allerdings hätte es nur einen direkten Freistoß geben dürfen, da das Foul knapp außerhalb des Sechzehners passierte.

Der italienische Schiedsrichter Luca Pairetto sah das anders. Die Führung der Tschechen hielt nicht lange, denn in der 74. Minute glich Joker Oliver Bierhoff mit einem Kopfball aus – 1:1. Und derselbe Spieler war es auch, der in der fünften Minute der Verlängerung das erste so genannte Golden Goal zur Entscheidung für den Europameister erzielte. Der leicht abgefälschte Ball war für Torhüter Petr Kouba unhaltbar. Obwohl der Assistent-Schiedsrichter auf Abseits für Kuntz entschied, hielt der Hauptschiedsrichter die Abseitsstellung des Spielers als „tot“. Und so blieb es beim „Sudden Death“ der Tschechen unverändert. Aber auch Silber war ein großer Erfolg für die Tschechen. Sie hatten in ihren Reihen Spieler aus der europäischen Elite: Poborský, Nedvěd, Šmicer, Kadlec, Bejbl, J. Nemec.

Die deutsche Mannschaft unter Trainer Berti Vogts stand für Stärke und Leistungsstabilität. Torwart Andreas Köpke, Innenverteidiger Matthias Sammer (die einzige große Verstärkung aus Ostdeutschland), Dieter Eilts spielten sehr gut. Und sie hatten den Joker Bierhoff. Sie haben auch die Verletzung von Jürgen Kohler und die Ausfälle anderer Spieler gut ersetzt.

„Auf jeden Fall hat das Golden Goal mein Leben verändert. Es war ein Meilenstein in meiner Fußballkarriere.“

Oliver Bierhoff, zweifacher Finaltorschütze für Deutschland

Finale: Deutschland – Tschechien 2:1 (0:0, 1:1) n.V.

Tore: 74. a 95. Bierhoff – 59. P. Berger (Elfmeter)

Schiedsrichter: Pairetto (Ita.) – 73.611 Zuschauer. Es wurde am 30. Juni 1996 in Wembley in London ausgetragen.

Aufstellung der Europameister:  Köpke – Sammer – Babbel, Helmer – Strunz, Eilts (46. Bode), Hässler, Scholl (69. Bierhoff), Ziege – Kuntz, Klinsmann.

Fakten EURO 1996

  • Nach einer 21-monatigen Torflaute erzielte Alan Shearer bei der Europameisterschaft 5 Tore für England und wurde damit Torschützenkönig des Turniers.
  • Deutschland bestritt sein fünftes EM-Finale und stellte damit einen neuen Rekord auf (mit 6 Teilnahmen ist bis heute Rekordhalter), außerdem triumphierte es zum dritten Mal. Die Spanier gewannen 2012 ebenfalls ihren dritten Titel.
  • Obwohl es in England 5 Spiele mit Verlängerung gab, wurde das erste Golden Goal erst im Finale erzielt.
  • Die Tschechen bestritten sowohl ihr erstes als auch ihr letztes Spiel im Finalturnier gegen die Deutschen, erhalten zwei Tore und verloren beide.
  • Aufgrund des dezimierten Kaders baten die Deutschen um die Möglichkeit, zwei Spieler vor dem Finale aufzustellen. Diese wurden zwar gewährt, kamen aber im Finale nicht mehr zum Einsatz.
  • Der tschechische Fußballspieler Vladimir Smicer schwänzte zwei Tage vor dem Finale die Heimreise, weil er in Prag heiratete.