Geschichte der Europameisterschaften – EURO 1980 in Italien: Deutschlands Rückkehr an die Spitze

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Author: Ladislav Harsányi

Die Fußball-Europameisterschaft (EURO) wird eines der großen Sportfeste des Kalenderjahres 2024 sein. Anlässlich der Europameisterschaft in Deutschland haben wir eine historische Serie über die Europameisterschaften vorbereitet. Hier ist der sechste Teil, der sich auf die EURO 1980 in Italien konzentriert.

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Tschechoslowakischer Versuch der Titelverteidigung

Um die Attraktivität der Finalturnier zu erhöhen, wurde das Viertelfinale aus dem bisherigen Qualifikationssystem gestrichen, so dass sich die besten acht Mannschaften für das Finale qualifizieren. Auch aus diesem Grund wurde, anders als in der Vergangenheit, bereits vor der Qualifikation das Gastgeberland mit einer sicheren Turnierteilnahme festgelegt. Die Wahl fiel auf Italien. Gleichzeitig wurde die Anzahl der Qualifikationsgruppen von acht auf sieben reduziert, so dass in drei Gruppen jeweils fünf Mannschaften um den einzigen Qualifikationsplatz kämpften.

Der amtierende Europameister aus der Tschechoslowakei hatte es in der Qualifikationsgruppe mit Frankreich, Schweden und Luxemburg zu tun. Nach der verpassten Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien gab es einen Trainerwechsel auf der Trainerbank. Jozef Venglos, damals Assistent von Vaclav Jezek, wurde Cheftrainer.

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Mit einem 3:1-Sieg in Stockholm gelang ihnen ein guter Start in die Qualifikation. Die Schweden wurden zu Hause mit 4:1 geschlagen und, was noch wichtiger war, die Franzosen mit Michel Platini an der Spitze verließen Bratislava ebenfalls mit einer Niederlage (0:2). Panenka wiederholte zunächst seinen Elfmeter von Belgrad „in einer Mutprobe“ und Frantisek Stambacher legte mit einem Bombenschuss aus 30 Metern den zweiten Treffer nach. Die einzige Niederlage gab es in Paris (1:2). Im abschließenden Heimspiel gegen Luxemburg reichte ein Punkt zum Weiterkommen, doch die Heimmannschaft ließ nichts anbrennen und gewann mit 4:0.

Die meisten Favoriten – England, Belgien, Spanien, die Niederlande, BRD und überraschend auch Griechenland – erreichten die Runde der letzten Acht des Turniers. Das Turnier wurde vom 11. bis 22. Juni 1980 in vier Stadien in vier Städten ausgetragen: im Stadio Comunale in Turin, im Stadio San Paolo in Neapel, im San Siro in Mailand und im Stadio Olimpico in Rom.

Die besondere Logik der Gruppenauslosung 

Die Mannschaften wurden in zwei Vierergruppen eingeteilt, wobei nur die Gruppensieger (direkt) in das Finale einzogen wurden. Nach einer merkwürdigen Logik wurden die drei besten Mannschaften der vorherigen Euro-Meisterschaft Deutschland, die Tschechoslowakei und die Niederlande, ergänzt durch Griechenland, in die Gruppe A eingeteilt. Die B-Gruppe verfolgte das Hauptziel, das Heimteam Italien ins Finale zu bringen, das England, Spanien und Belgien als Gegner hatte.

Dieses Szenario erfüllte sich jedoch nicht. Zudem erschütterte ein Korruptionsskandal das Land vor der Meisterschaft, in den auch Starspieler Paolo Rossi zu den Schuldigen gehörte, der aufgrund einer Sperre nicht am Turnier teilnehmen konnte. Die Italiener gewannen zwar gegen England (1:0), blieben aber gegen Spanien und Belgien ohne Torerfolg und belegten hinter Belgien den zweiten Platz.

Quelle: x.com/fcbayernen

Das erste Spiel der Gruppe A und gleichzeitig das Eröffnungsspiel der Meisterschaft war eine Reprise des Finalkampfs Tschechoslowakei gegen Westdeutschland von 1976. In einem wenig inspirierenden Spiel vor einer schwachen Zuschauerkulisse im Olympiastadion in Rom (11.518 Zuschauer) siegte Deutschland durch einen Kopfball von K. H. Rummenigge in der 57. Minute. Viel interessanter war das deutsch-niederländische Duell, das die BRD dank eines Hattricks von Klaus Allofs mit 3:2 für sich entschied.

Die tschechoslowakische Mannschaft übersprang die griechische Hürde (3:1), Panenka eröffnete den Torreigen nach fünf Minuten mit einem Direktschuss (das schnellste Tor der Meisterschaft). Vor dem letzten Gruppenspiel hatten die Deutschen alle Trümpfe in der Hand, ein Punkt reichte zum Einzug ins Finale, das sie nach einem torlosen Remis gegen Griechenland auch erreichten. Im Duell Tschechoslowakei – Niederlande ging es „nur“ noch um den zweiten Gruppenplatz, der zur Teilnahme am Spiel um die Bronzemedaille berechtigte. Die tschechoslowakische Mannschaft hatte den Vorteil, dass ihr ein Unentschieden zum Gewinn dieser Medaille gereicht hätte. Das Spiel endete mit einem 1:1-Unentschieden.

Bronze nach Elfmeterschießen

Im Spiel um Bronze traf die Tschechoslowakei unter dem Vesuv auf die heimische Squadra Azzurra. Torhüter Dino Zoff wird sich wohl immer an das Tor aus der 55. Minute erinnern. Panenka brachte den Ball nach einer Ecke vor den Strafraum und Ladislav Jurkemiks Volleyschuss aus gut 20 Metern schlug im oberen Eck des italienischen Tores ein. Es war das schönste Tor der Meisterschaft. Francesco Graziani gelang zwar noch der Ausgleich, doch die Entscheidung musste im Elfmeterschießen fallen – ohne Verlängerung. Jozef Barmos erzielte den Siegtreffer zum 9:8 und die Bronzemedaille ging an die Tschechoslowakei.

Hrubeschs Goldener Kopf

Die Deutschen gingen als Favorit ins Finale, mussten sich aber im Olympiastadion in Rom in Acht nehmen, denn die Belgier hatten bereits in der Vorrunde für eine Überraschung gesorgt. Horst Hrubesch brachte die Deutschen in der 10. Minute in Führung, doch René Vandereycken glich vom Elfmeterpunkt aus.

Doch der Hamburger Horst Hrubesch (Spitzname: Kopfballungeheuer) hatte das letzte Wort und machte mit seinem Kopfball den zweiten Europameistertitel für Deutschland perfekt. In der Mannschaft von Jupp Derwalls Schützlingen war der flinke Torjäger Karl-Heinz Rummenigge eine der großen Stützen, die Seele des Mittelfelds war Bernd Schuster, Hansi Müller, der bereits erwähnte Hrubesch und Uli Stielike spielten eine wichtige Rolle.

„In der Verlängerung hätten wir es nicht geschafft, das wäre zu viel für uns gewesen. Es war sehr heiß am Spieltag, ich war nach dem Spiel so müde, dass ich den Pokal kaum über meinen Kopf heben konnte.
Horst Hrubesch, entscheidender Schütze des Endspiels

Finale: BRD – Belgien 2:1 (1:0)
Tore: 10. und 88. Hrubesch – 75. Vandereycken (Elfmeter)
Schiedsrichter: Rainea (Rum.) – 47.864 Zuschauer. Das Spiel fand am 22. Juni 1980 im Olympiastadion in Rom statt.
Europameister-Mannschaft: H. Schumacher – Kaltz, Stielike, K. H. Förster, Dietz – Schuster, Briegel (55. Culmann), H. Müller – K. H. Rummenige, Hrubesch, K. Allofs

Fakten EURO 1980

  • Horst Hrubesch, der im Finale den Siegtreffer erzielte, sollte eigentlich gar nicht für das Turnier nominiert werden, sondern wurde erst nach dem Beinbruch von Klaus Fischer nachnominiert.
  • Das Elfmeterschießen im Spiel um Platz 3 zwischen der Tschechoslowakei und Italien war das längste in der Geschichte der Europa- und Weltmeisterschaften. An ihm waren 18 Spieler beteiligt (von denen 17 den Elfmeter verwandelten – ebenfalls ein Rekord).
  • Die Griechen, die zum ersten Mal in 1980 an einem EM-Turnier teilnahmen, konnten sich erst 2004 qualifizieren und gewannen sensationell.
  • Die Deutschen haben dreimal in Folge an einer EM-Finale teilgenommen, eine Leistung, die nie zuvor übertroffen wurde (bei der WM 1982-1990 gelang ihnen zudem ein Hattrick).
  • Die ersten beiden Plätze beim Goldenen Ball für den besten Spieler des alten Kontinents gingen an die Deutschen: K.-H. Rummenigge vor Bernd Schuster.